Gewaltpräventionskonzept

Gewaltpräventionskonzept

1. Zielsetzung

Wir bieten ambulant betreutes Wohnen im Rahmen der Eingliederungshilfe gemäß der §§ 113, 78 SGB IX, sowie Hilfe zur Erziehung für junge Volljährige gemäß § 41 SGB VIII i.V.m. Eingliederungsshilfe gemäß § 35 a SGB VIII für Menschen an, die neben ihren erworbenen Erfahrungen und Fähigkeiten eine Assistenz benötigen, zum Beispiel aufgrund von:

  • Psychischer Behinderung
  • Suchterkrankung
  • Doppeldiagnose

Überall, wo Menschen zusammenarbeiten, kann es Konflikte geben, die auch mit Gewalt einhergehen.

Da Menschen mit Behinderung sich oft in einer Abhängigkeit von anderen Personen befinden, sind sie dem Risiko, Opfer von Grenzverletzungen und Gewalt zu werden, stärker ausgesetzt.

Gewaltprävention ist deshalb eine zentrale Aufgabe. Ein systematischer und standardisierter Umgang mit Gewalt und deren Prävention ist Bestandteil unseres Qualitätsmanagements.

Das vorliegende Rahmenkonzept sollen die Mitarbeitenden der Firma AUSWEG – Betreutes Wohnen für kritische Situationen sensibilisieren, Maßnahmen zur Prävention von Gewalt aufzeigen und Handlungsstrategien festlegen, wie mit Grenzverletzungen und Gewalt umzugehen ist. Dabei geht es sowohl um den Schutz der betreuten Zielgruppe als auch um Schutz und Sicherheit der Mitarbeiter*innen.

2. Gewaltbegriff

Im Folgenden werden verschiedene Formen von Gewalt beschrieben und zwischen Leistungserbringenden und Leistungsempfangenden differenziert:

2.1 Körperliche Gewalt

Unter körperlichen Gewalthandlungen verstehen wir das Zufügen von physischen Schmerzen oder Wunden z.B. durch

  • Schlagen,
  • Festhalten mit Gewalt

2.2 Psychische Gewalt

Unter psychischer (stillen/seelischen) Gewalt verstehen wir die Verletzung der psychischen Unversehrtheit wie z. B.

  • Beschimpfung, Einschüchterung, Drohung
  • aktive soziale Isolierung, Ausgrenzung
  • Stalking und Mobbing

2.3 Sexualisierte Gewalt

Unter sexualisierter Gewalt verstehen wir jegliche Formen von Gewalt und Machtausübung mittels sexueller Handlungen wie z.B.

  • Sexuelle Nötigung oder Belästigung
  • Aufgezwungene sexuelle Handlungen und Berührungen

2.4 Strukturelle Gewalt

Strukturelle Gewalt bzw. indirekte Gewalt entsteht u. a. bei ungleichen Macht- verhältnissen bzw. ungleichen Lebenschancen. Beispiele hierfür sind:

  • Vorenthalten von Informationen
  • Ungeeignete pädagogische Maßnahmen

2.5 Differenzierte Beispiele für Gewalthandlungen

Formen von Gewalt (Beispiele)

Ebene LeistungserbringendeEbene Leistungsempfangende
  • Inadäquate Abläufe und Strukturen, die die Selbstständigkeit und -bestimmung einschränken
  • Vorenthalten des Mitentscheidungsrechts
  • Missachtung des Datenschutzes
  • Angebot von ungeeignetem Wohnraum
  • Ignoranz von Bedürfnissen
  • Nicht professionelles und/oder zu wenig Leistungserbringende
  • Nichteinhaltung der Intimsphäre
  • Vernachlässigung
  • Sachbeschädigung
  • Schlagen, verletzen, schubsen, treten, spucken
  • Festhalten mit Gewalt
  • Drohgebärden
  • Beleidigungen

3. Ursachen, Auslöser und Risikofaktoren

So unterschiedlich die Formen der Gewalt sind, genau so unterschiedlich sind die Ursachen für Gewaltanwendungen und Grenzverletzungen. Gewalt kann viele Ursachen haben. Sie kann unüberlegt und unbeabsichtigt ausgeübt werden. Sie kann von verschiedenen Akteuren ausgehen. Im Ambulant Betreuten Wohnen, z.B. von

  • Leistungsempfangenden zu Leistungsempfangenden
  • Leistungsempfangenden zu Leistungserbringenden
  • Leistungserbringenden zu Leistungsempfangenden
  • Leistungserbringenden zu Leistungserbringenden

All diese Ebenen müssen in der Gewaltprävention angemessen berücksichtigt werden. Eine besondere Beachtung ist dabei auf die Menschen mit Behinderungen zu legen.

Personenbezogene Faktoren, z.B.

  • Geringe Frustrationstoleranz
  • Hohes Aggressionspotenzial
  • Mangelnde Kommunikations- und Streitkultur
  • Menschenbild und Weltanschauung
  • Drogen- und Alkoholmissbrauch
  • Gesundheitliche Probleme
  • Überschreiten der persönlichen Belastungsgrenze
  • Eigene Gewalterfahrung
  • Zwischenmenschliche Konflikte
  • Allgemeine Entwicklungsprobleme

Faktoren des sozialen Umfeldes, z.B.

  • Geringe finanzielle Ressourcen
  • Arbeitslosigkeit
  • Ungünstiges Wohnumfeld
  • Soziale Isolation
  • Wenig soziale Unterstützung

Kulturelle und gesellschaftliche Faktoren

  • Akzeptanz von Gewalt
  • Leistungsdruck
  • Machtgefälle zwischen den Geschlechtern

Strukturelle Faktoren

  • Fehlende Transparenz durch unklare Rollenverteilung und Aufgabendefinitionen
  • Überlastung in Folge von Zeitdruck, hoher Verantwortung oder fehlende
  • Leistungserbringende
  • Mangelnde Kompetenz
  • Fehlende Verfahren zur Intervention und Prävention
  • Hoher Tabuisierungsgrad und Klima des Verschweigens
  • Atmosphäre, Betriebsklima, Stimmung

Die Summe mehrerer Faktoren bildet die Ursache oder den Auslöser für Gewalt. Deeskalation und Gewaltprävention gelingt dann, wenn Auslöser und Formen von Gewalt so früh wie möglich achtsam wahrgenommen werden und die Ursachen analysiert werden, um so schnell und systematisch wie möglich nach Lösungen zu suchen. Dies bedeutet die Auseinandersetzung und ein genaues Hinsehen auf allen Hierarchieebenen.

4. Maßnahmen zur Gewaltprävention

4.1 Risikoanalyse

Sinnvolle Mittel der Prävention können auch ein individuelles Risikomanagement bzw. Risikoanalysen sein. Im Rahmen der bestehenden Kontroll- und Verbesserungsprozesse verstehen wir eine regelmäßige Risikoanalyse als wesentliches Element, um Gefahrenpotentiale innerhalb unserer Organisation zu erkennen. Ergebnisse der Risikoanalyse zeigen, welche konzeptionellen und strukturellen Verbesserungen erforderlich sind, um den Gewaltschutz sicherzustellen.

4.2 Prävention/Intervention

Innerhalb unseres Qualitätsmanagements ist klar definiert wer bei Gewalthandlungen aller Art Ansprechpartner*in und wie bei drohenden Gewalthandlungen vorzugehen ist. Als Teil unseres Qualitätsmanagements sind im Gewaltschutzkonzept Präventive Maßnahmen und Interventionen differenziert aufgeführt.

Prävention

Ebene LeistungserbringendeEbene Leistungsempfangende
  • Professioneller Umgang mit Leistungsempfangenden
  • Meldepflicht bei Gewalthandlungen aller Art
  • Offene vertrauensvolle Kommunikation
  • Ansprechpartner*in stellen
  • Regelmäßige Teamsitzungen/Supervisionen/Fortbildungen
  • Gespräche mit Leistungserbringenden
  • Arbeiten in Co-Partnerschaft
  • Regelungen bei Gewalthandlungen (Konsequenzen)
  • Detaillierte Dokumentation
  • Aufklärung über Hilfsangebote
  • Ansprechpartner*in stellen

Interventionen

Ebene LeistungserbringendeEbene Leistungsempfangende
  • Gespräch mit der Bereichsleitung/Geschäftsführung
  • Informationsweitergabe an und Transparenz gegenüber allen Beteiligten
  • Bereitstellung von Alkohol-Testgeräten und Drogentests
  • Evtl. gemeinsames Gespräch mit allen Betroffenen
  • Reflexion des Vorfalls (ggf. im Team)
  • Evtl. Fallanalyse
  • Ansprechpartner*in kontaktieren (Bezugsbetreuer*in/Notfallhandy)
  • Gespräch mit der Bereichsleitung/Geschäftsführung
  • Wenn nötig Betreuungswechsel
  • Wenn nötig räumliche Trennung
  • Ggf. Information an Dritte (Bsp. Gesetzliche Betreuer*in)
  • Klinikeinweisung
Eventuelle Sanktionen/Konsequenzen:

  • Gespräche mit Leistungserbringenden (ggf. Freistellung bis Klärung, Abmahnung, fristgerechte/fristlose Kündigung)
  • Strafanzeige
Eventuelle Sanktionen/Konsequenzen:

  • Verwarnung, Abmahnung, Kündigung
  • Aufnahme in der Psychiatrie
  • Strafanzeige

4.3 Leitbild (Ethischer Ansatz) / Haltung

Ein Unterpunkt der Gewaltprävention, stellt unser Leitbild mit unserer damit verbundenen Grundhaltung dar.

Grundlage unserer Tätigkeit ist das Recht jedes Menschen auf Freiheit, sein Recht auf Achtung von Individualität und Eigenart, sein Anspruch gegen die Gesellschaft auf Solidarität und auf ungehinderte Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben, sein Anspruch auf Glück, die Realisierung von Wünschen und ein Höchstmaß an Autonomie und Eigenverantwortlichkeit.

Wie jede Gesellschaft, so hat auch unsere Gesellschaft stärkere und schwächere Mitglieder. Zu den schwächeren Mitgliedern gehören Menschen, die Infolge einer körperlichen, geistigen und/oder seelischen Behinderung den wirtschaftlich geprägten gesellschaftlichen Standards (z.B. Gesundheit, Effizienz, Produktivität) nicht entsprechen können.

Häufig werden Menschen mit Behinderungen mit der Fokussierung, ausschließlich auf ihre Behinderung betrachtet und somit Teilen ihrer Würde beraubt. Dem durch ganzheitliche Annahme des Menschen mit seiner Behinderung entgegenzuwirken und ihn in seiner Würde zu stärken, ist Gebot.

Eine der vielen Ausdrucksformen menschlicher Freiheit und Individualität ist die Möglichkeit, das soziale – und das Wohnumfeld frei zu wählen, zu gestalten und dort den eigenen Bedürfnissen entsprechend zu leben. Menschen mit Behinderung haben diese Freiheit häufig nicht.

Dementsprechend sehen wir das Ziel unserer Tätigkeit darin, unseren Leistungsempfangenden das Gefühl zu vermitteln, als vollwertiges Mitglied unserer Gesellschaft akzeptiert und trotz ihrer Behinderung respektiert zu werden. Durch ganzheitliche Betrachtung des/der Leistungsempfangenden und Ausarbeitung und Stärkung seiner Ressourcen verhelfen wir zu einer Änderung der Wahrnehmung dahin gehend, dass Behinderung ein Teil des/ der Leistungsempfangenden ist und nicht der Teil von ihm/ihr. Wir setzen uns dafür ein, ihnen zu einem Höchstmaß an Selbstbestimmung, an Handlungs- und Entscheidungsfreiheit zu verhelfen.

Zu unserer Arbeit zählt die Feststellung von individuellem Hilfebedarf und dessen Umsetzung in Absprache mit entsprechenden Leistungsanbietern aber auch beispielsweise die Beschaffung von barrierefreiem Wohnraum, die Hilfe bei der Bewältigung alltäglicher Schwierigkeiten und Schaffung eines strukturierten Tagesablaufs.

Als mögliche Wohnformen kommen in Betracht: Einzelwohnung und die Wohngemeinschaft in den Formen intensive Betreuung, lockere Betreuung und betreutes Einzelwohnen. Ausgangspunkt ist in jedem Fall das individuelle Bedürfnis.

des Leistungsempfangenden und sein Bedarf an Privatsphäre bzw. sozialen Kontakten. Auch den Wünschen nach dörflicher bzw. städtischer Einbindung soll entsprochen werden. Verkehrsverbindungen zur nächstgelegenen Stadt oder Dorf sind für die Auswahl des Wohnraums von großer Relevanz.

Der/die Leistungsempfangende soll subjektiv die Verbesserung ihrer/seiner Lebensqualität empfinden.

Dabei verstehen wir unser Hilfsangebot nicht als Zwang, sondern Unterstützung. Die Hilfe soll Ressourcen orientiert verlaufen, d.h. der/die Leistungsempfangende wird in seinen/ihren Fähigkeiten gestärkt, um so seine individuellen Handlungsfreiheiten zu erhöhen und im Resultat ein stärkeres Selbstbewusstsein zu entwickeln.

4.4 Beschwerdemanagement

Jeder/jede Leistungserbringende ist verpflichtet jedwede Art von Gewalt umgehend zu melden.

Im Rahmen des Beschwerdemanagements wird jegliche Art von Gewalt durch die Geschäftsführung und die Bereichsleitungen dokumentiert, bearbeitet und besprochen. Vorfälle von Gewalt können direkt von Leistungserbringenden oder Leistungsempfangenden telefonisch der Geschäftsleitung gemeldet oder schriftlich dokumentiert werden. (postalisch oder per Email an sekretariat@bewo-ausweg.de).

Jede Meldung kann zudem anonym erfolgen:

4.5 Personalmanagement

Die Geschäftsleitung trägt bei der Personalauswahl die Verantwortung dafür, dass nur Personen mit geeigneten Qualifikationen mit der Betreuung der Leistungsempfangenden betraut werden.
Die Vorlage eines erweiterten polizeilichen Führungszeugnisses ist verpflichtend.

Alle Leistungserbringende müssen sich grundsätzlich vor Anstellung durch Unterzeichnung des Verhaltenskodex zu einem reflektierten Umgang mit ihren Schutzbefohlenen und zu zeitnaher und angemessener Thematisierung von Grenzverletzungen verpflichten. Die Selbstverpflichtungserklärung ist Teil des Arbeitsvertrages.

Alle Leistungserbringenden unterzeichnen eine Verschwiegenheits- und Datenschutzerklärung.

Alle Leistungserbringenden erhalten eine intensive Einarbeitung in alle Arbeitsprozesse.

4.6 Kooperationen

Eine wichtige präventive Maßnahme ist das Wissen und die Inanspruchnahme von Hilfs- und Beratungsangeboten. Hier ist eine umfassende Aufklärung unumgänglich.

Beispiele von Hilfsangeboten:

  • Notfallnummer des BeWos
  • Polizei
  • Feuerwehr / RTW
  • Jugendamt
  • LVR
  • Örtliche Beratungsstellen
  • Beratungsstellen zu Fragen zur sexuellen Gewalt
  • u.a.

5. Umsetzung des Konzeptes

Neue Leistungserbringende werden im Anstellungsverfahren auf unsere Grundhaltung hingewiesen und erhalten mit dem Anstellungsvertrag das Konzept Gewaltprävention und den Verhaltenskodex zur Unterschrift.

Die Leistungsempfangenden und ggf. die gesetzlichen Vertreter werden über die Implementierung des Konzepts informiert und haben Einblick. Bei Neuaufnahmen wird im Aufnahmeverfahren bereits darauf hingewiesen.

Die Umsetzung des Konzeptes wird im Rahmen des ständigen Verbesserungsprozesses regelmäßig überprüft und ist ebenfalls Bestandteil der internen Audits.

Unser Konzept im Überblick

Haben Sie weitere Fragen zu BETREUTES WOHNEN AUSWEG oder speziellen Leistungen, stehen wir Ihnen über unser Kontaktformular jederzeit gerne zur Verfügung.

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